Eis, Schnee und Kanelbullar – Kungsleden Teil 1

Die südlichste Etappe des Kungsleden ist geschafft, wir sind in 6 Tagen von Hemavan nach Ammarnäs gefahren und haben dabei 85 km zurückgelegt. Auf dieser Strecke sind die STF-Hütten dicht gesät, sodass wir oft nur kurze Tagesetappen hatten und jede Nacht in den Genuss eines warmen Holzofens und eines echten Bettes gekommen sind. Sowohl die Landschaft als auch das Wetter waren die letzten Tage sehr abwechslungsreich.

Auf dem Weg durch das Vindelfjäll-Naturreservat sind wir durch hügelige Birkenwälder (fjällbjörkskog) gefahren, haben kahle alpine Gebiete (kalfjäll) mit mächtigen Gipfeln durchquert und sind über zugefrorene Seen mit unzähligen kleinen Inseln (rogen morän) geglitten. Das Wetter war teils herausfordernd, teils eine reine Freude: wir hatten einen richtigen Schneesturm mit wenig Sicht, warme Tage mit Temperaturen um die 0 Grad und wunderschöne kalte Tage mit strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel.

Der Kungsleden – König unter den schwedischen Wanderwegen

Die Idee des Kungsleden ist etwa um 1900 innerhalb vom STF, dem schwedischen Touristenverein, entstanden. Aus einem damaligen Bericht des STF geht hervor, dass die Absicht war eine Möglichkeit zu schaffen „Lapplands Herrlichkeit jungen Menschen zu öffnen, die einen guten Willen, gute Beine, einen guten Verstand und eine kleine Kasse haben und die nicht zweifeln, solange sie für die Nacht zumindest ein notdürftiges Dach über dem Kopf finden“ (frei übersetzt).

Ziel war es zunächst eine Verbindung zwischen Abisko im Norden (auch jetzt der nördliche Endpunkt und Ziel unserer Wintertour) und Kvikkjokk im Süden zu schaffen. Es sollte ein markierter Weg durch die landschaftlich beeindruckendsten Bergregionen Lapplands werden, gesäumt von Hütten. Bis diese Idee Wirklichkeit wurde, dauerte es allerdings Jahrzehnte – vor allem aufgrund der beschränkten finanziellen Mittel des STF.

Copyright STF

Die ersten Hütten wurden 1907 bei Abiskojaure und bei Kebnekaise errichtet, Ruderboote zur Überquerung einiger Seen wurden zur Verfügung gestellt und einige einfache kåtor, das sind Tipi-förmige Hütten, wie sie von den Sami traditionell verwendet wurden, gebaut. Später hat der STF Unterstützung von den Pfadfindern erhalten um Wege und Markierungen anzulegen. Ende der 1920er wurde der Name Kungsleden zum ersten Mal offiziell vom STF verwendet und im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden immer mehr Hütten gebaut. Als 1975 das Vindelfjäll-Naturreservat geschaffen wurde, kam als letzter Abschnitt Hemavan-Ammarnäs hinzu – der Abschnitt, den wir jetzt gerade zurückgelegt haben. Der gesamte Kungsleden erstreckt sich nun über eine Distanz von 440 km. Das ist allerdings die Länge des Sommer-Kungsleden, der vorsieht, dass einige Seen mit Booten überquert werden. Zum Kungsleden im Winter gibt es weit weniger Informationen und soweit wir wissen auch (noch) keine Führer – wir werden also sehen, wieviele Kilometer wir tatsächlich zurücklegen.

In den 50ern gab es noch Uneinigkeiten darüber, von wo bis wo der Kungsleden eigentlich führt. Während einige behaupteten, er führe von Abisko bis nach Ammarnäs, meinten andere er beginne eigentlich schon weiter im Norden bei Treriksröset, dem Punkt wo Schweden, Norwegen und Finnland zusammenstoßen, und führe bis nach Grövelsjön im Süden. Die letztere Definition des Kungsleden entspricht viel mehr der Ausdehnung des grünen Bandes (gröna bandet), der Wander-Challenge, der wir uns im Sommer widmen wollen. Auch heute wird noch die Verbindung zwischen Sälen (noch weiter südlich als Grövelsjön) und Storlien als der „südliche Kungsleden“ bezeichnet und zumindest als Traum in den Köpfen einiger Fjäll-Enthusiasten gibt es die Vorstellung diese beiden Kungsleden zu verbinden.

Wenn sie keine Kanelbullar haben, …

… sollen sie doch Schokokuchen essen! Frei nach Marie Antoinette haben wir unterwegs einen guten Ersatz für frisch gebackene Kanelbullar gefunden. Auf einer Berghütte schwedische Zimtschnecken zu backen, wäre doch etwas aufwändig: man müsste Germ, Butter, Milch, Eier, Zucker, Zimt, Mehl und Kardamom mitnehmen, den Teig zumindest eine Stunde gehen lassen und eine große Arbeitsfläche zum Auswalken wäre auch nicht schlecht… Aber für Schokoladekuchen gibt es Fertigmischungen, die wir einmal ausprobieren wollten.

In der Tärnasjöhütte, wo Mimi das Experiment wagen wollte, gab es im Holzofen auch ein Backrohr – zwar ohne Thermometer, aber wir wollten es trotzdem versuchen. Tatsächlich hat das Kuchenbacken erstaunlich gut funktioniert, auch Hüttenwart Leif und den anderen drei Gästen hat er sehr gut geschmeckt.

Und weil am nächsten Morgen noch etwas davon übrig war, gab es für uns ein Luxusfrühstück mit Schokokuchen zum Müsli-Brei!

Wind und Sturm

Wind, einmal stärker, einmal schwächer, ist ein regelmäßiger Begleiter auf unserer Tour. Gerade oberhalb der Baumgrenze ist es sogar überraschend, wenn kein Wind zu spüren ist. Genauso wie wir uns inzwischen an die Kälte gewöhnt haben, sind wir auch mit dem Wind gut vertraut. Bei steilen Anstiegen freuen wir uns sogar, wenn ein Windstoß etwas Abkühlung bringt.  Wenn wir hingegen unsere festen Winterjacken anhaben, spüren wir den Wind kaum. An den beiden ersten Tagen am Kungsleden haben wir auch den großen Bruder vom Wind erlebt: Sturm, teilweise mit Windböen, bei denen man die Skistöcke zum Einsatz bringen musste um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen. Vor allem der Rucksackträger mit seiner größeren Angriffsfläche war da gefordert.

Es ist ein sehr beeindruckendes Erlebnis in einem Schneesturm unterwegs zu sein. Der vorrangige Sinneseindruck ist das Heulen und Pfeifen des Sturms und die nahezu merkmallose weiße Wand vor einem. An solchen Tagen zeigt sich die Genialität der roten Holzkreuze, die hier die Winterwege markieren. Denn inmitten dieser weißen Leinwand sieht man zumindest ein rotes Kreuz und auf das steuert man zu. Diese Markierungen sind dicht genug gesteckt, dass man selbst bei sehr dichtem Schneefall noch von einem zum nächsten Kreuz sehen kann. Wenn selbst das nicht mehr möglich ist, gibt die Drehung der Kreuze die Richtung vor, in der das nächste Kreuz zu finden ist. Es mag erstaunlich klingen, aber wir haben uns eigentlich nicht unwohl gefühlt in diesem Sturm. Eingepackt in unsere Jacken und Schals war uns nicht kalt, die roten Kreuze gaben uns die Richtung vor und mit Zelt und Schlafsack wäre auch der Notfall, dass wir nicht mehr weiter gehen können, kein Problem. Diese Sicherheit gibt uns die Ruhe auch so ein hartes Naturschauspiel zu würdigen.

Die Freude ist dennoch groß, als nach dem Sturm die Sonne durch die Wolken bricht. Zum ersten Mal an diesem Tag sehen wir die Landschaft, durch die wir fahren. Das Tal, in dem wir unterwegs sind, die steilen Berghänge links und rechts, das weite Land vor uns. Und die Schneeskulpturen, die der Sturm unbeobachtet geschaffen hat. Der Schnee vor uns bildet Formen wie eine Miniaturlandschaft mit Tälern, Bergen, Hügeln und Schluchten. Eine Kopie der uns umgebenden Landschaft in kleinem Maßstab. Die Sonne scheint, blauer Himmel, der Schnee glitzert. Der Sturm ist vorbei.

Wie geht´s weiter?

Wir verbringen einen Rasttag in Ammarnäs, kaufen wieder neuen Proviant ein, studieren unsere Wanderkarten, waschen unsere Wäsche und füllen unsere Bäuche mit „echtem“ Essen. Der weitere Kungsleden ist bis Kvikkjokk weniger stark begangen, was vor allem daran liegt, dass es dort keine STF-Hütten, sondern nur kleine Rasthütten und ab und zu private Unterkünfte gibt. Landschaftlich soll aber auch dieser Teil sehr schön sein! Wir haben diese lange Etappe in zwei Teile geteilt, denn in der Unterkunft in Jäkkvik, wo wir nach fünf Tage ankommen werden, erwartet uns ein Paket aus Mora – neue Wanderkarten, vorbereitetes Essen und Naschsachen. Dort wollen wir uns auch wieder bei euch melden!

 


Übersicht Serie „Eis, Schnee und Kanelbullar“:
[ Die ersten zwei Wochen | Kungsleden 1 | Kungsleden 2 | Kungsleden 3 | Kungsleden 4 | Kungsleden 5 | Kungsleden 6 | Zusammenfassung | Proviant | Ausrüstung ]

6 Gedanken zu „Eis, Schnee und Kanelbullar – Kungsleden Teil 1“

  1. Ur toll!! Genau so habe ich mir den Start für Euch gewünscht! Weiterso!!! Grüße aus dem Sonntagsdienst- weitgehend nicht so abenteuerlich 🙂

  2. Wir sind wieder voll Bewunderung für Eure großen Leistungen und lesen Eure Berichte mit Begeisterung. Vielen Dank!
    Frohe Ostern! Hoffentlich friert der Osterhase nicht ein!
    Liebe Grüße!
    Hannes und Roswitha Wruß.

    1. Vielen Dank, es ist schön zu wissen, dass ihr uns per Blog begleitet! Dem Osterhase war schon ein wenig kalt, aber er hat geschafft uns ein paar Süßigkeiten vorbeizubringen. Liebe Grüße, Mimi und Martin

  3. Wir verfolgen eure Berichte ganz gespannt und warten immer schon auf den nächsten! So schön, dass wir, gemütlich am Sofa in der Hinterglemm, auch einen Hauch von Abenteuer erleben können. Gutes Weiterwandern wünschen euch Gabi & Manfred

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