Eis, Schnee und Kanelbullar – Die ersten zwei Wochen

Wir sind nun seit etwa zwei Wochen mit unseren Skiern unterwegs und haben insgesamt 174 km zurückgelegt. Wir sind von Grövelsjön bis Vålådalen gefahren und haben dabei das Rogen Naturreservat und das bergige Gebiet um Helags-Sylarna durchquert. Um einen Einblick in unsere Reise zu geben, beschreiben wir hier vier Themen etwas genauer: die Landschaft, unseren Gepäcksschlitten, die Hütten und die Kälte.

Die Kanelbullar, die wir zusammen mit Mimis Cousine und ihrem 4-jährigen Sohn gebacken haben, waren leider am zweiten Tag schon aufgegessen…
Weiße Landschaft

Einer der wichtigsten Gründe warum wir so gerne hier in den schwedischen Bergen unterwegs sind die Landschaft und Natur. Die weiten, weißen Ebenen die wir durchqueren, die runden, von Schnee bedeckten Berge, die stillen Wälder und zugefrorenen Seen. Der tiefe Schnee verbirgt vieles, doch was aus dem Schnee ragt bekommt besondere Aufmerksamkeit. Der einzelne Baum, der eisverkrustete Ast, der Felsblock, der Wald am Horizont, die Spur eines Hasen, das Flattern eines Schneehuhns. Jeden Tag erleben wir eine andere Art von Schnee, eine andere Konsistenz, andere Kristalle, ein anderes Knirschen unter den Skiern. Es hat etwas Meditatives durch diese leere Landschaft zu gehen und man genießt ihre unzähligen Details. Schwer vorzustellen, dass auch hier einmal Frühling einkehrt und der unendliche Schnee verschwindet…

Unsere Pulka, die dicke Fanny

Einen essentiellen Ausrüstungsgegenstand haben wir uns speziell für diese Wintertour zugelegt: unsere Pulka, ein Gepäcksschlitten, den man beim Skifahren hinter sich herziehen kann. Wir hatten vor vier Jahren, als wir einen Winter-Survival-Kurs beim STF besucht haben, zum ersten Mal eine Pulka verwendet und waren ganz begeistert davon, wieviel leichter es ist damit Lasten zu transportieren als in einem Rucksack. Unsere Pulka haben wir zu Mimis Cousine nach Schweden bestellt und waren ganz aufgeregt, als wir sie aus dem großen Paket rausgeholt haben! Schön ist sie, fröhlich rot, geräumig, aber im Vergleich zu den traditionellen Holzpulkas relativ leicht. Etwas entsetzt waren wir als wir sie komplett beladen zum ersten Mal abgewogen haben: stolze 45 kg brachte das dick beladene Ding auf die Waage! Wir waren beim Packen vielleicht doch etwas zu großzügig und haben ein paar Mal zu oft gedacht „Mit der Pulka geht das alles viel leichter, da können wir dieses eine Ding auch noch mitnehmen.“ In der Hoffnung, dass sich die 45 kg im Schnee bewältigen lassen, sind wir dann mit vollem Gepäck losgefahren.

In der Ebene macht sich das hohe Gewicht der Pulka tatsächlich nicht so stark bemerkbar, aber sobald es steil wird, ist es nur mit großer Kraftanstrengung möglich, diese hinter sich her zu ziehen. Wenn es besonders steil bergauf geht, hilft der Rucksackträger mit, indem er mit einem Skistock von hinten anschiebt. Auch das ist ganz schön anstrengend! Im Laufe der zwei Wochen, die wir jetzt unterwegs waren, ist die Pulka natürlich immer leichter geworden, da wir immer mehr von unserem großen Essensvorrat aufgebraucht haben. Ein Leichtgewicht ist sie trotzdem nicht geworden und ist deshalb liebevoll von uns „die dicke Fanny“ getauft worden. Wir sind nach wie vor sehr begeistert von unserer schönen Pulka, aber bevor es weitergeht, werden wir unsere Ausrüstung sehr kritisch durchgehen und einiges zurück zu Mimis Cousine schicken. Uns fällt einiges ein, was wir nicht unbedingt brauchen… Dann fällt uns das Skiwandern hoffentlich etwas leichter, wir können schneller vorwärtskommen und haben mehr Zeit die wunderschöne Natur zu genießen!

Ein Hoch auf die Fjällstugor!

Was gibt es Besseres als nach einem langen, anstrengenden Skitag in eine Berghütte – auf Schwedisch „fjällstuga“ – zu kommen, herzlich begrüßt zu werden und im beheizten Hüttenraum ein Glas warmen Erdbeersaft angeboten zu bekommen? Berghütten sind in Schweden etwas anderes als in den Alpen: Es sind Selbstversorgerhütten, die während der Saison – im Winter von Anfang Februar bis Ende April – von einem „stugvärd“ betreut werden. Es ist also jemand da, der sich um die Hütte kümmert und den Gästen hilft, man muss sich allerdings selber darum kümmern Wasser und Brennholz zu holen, Abwasser im sogenannten „slaskhink“ zu entsorgen, einzuheizen, zu kochen und auch wieder sauberzumachen. Insofern ist es ganz etwas Besonderes, warmen Jordgubbssaft angeboten zu bekommen und sich nicht gleich nach der Ankunft ums Feuermachen kümmern zu müssen.

Das Hüttenleben ist einfach, aber sehr gemütlich – „stugmys“ würde man auf Schwedisch dazu sagen. Man verbringt auf engem Raum einige Zeit mit anderen Skifahrern bzw. Wanderern, kommt schnell ins Gespräch und hilft sich gegenseitig. Wir treffen unterwegs einige interessante und nette Leute, aus Schweden und Deutschland. Man bekommt Tipps, hört von anderen Touren und teilt die selbe Begeisterung für die schwedische Fjälllandschaft und die Stille des Winters. Eine besonders nette Begegnung hatten wir mit Mats, dem Stugvärd in der Fältjägar-Hütte. Wir waren die einzigen Gäste und er hat sich für uns besonders viel Zeit genommen. Unser Vorhaben ein Abenteuerjahr in Schweden zu verbringen hat ihm sehr gut gefallen und zum Abschied hat er uns noch zwei Hüttenabzeichen als Geschenk mitgegeben!

Ist das nicht furchtbar kalt?

Wenn bis Ende April noch tiefster Winter ist, Seen und Flüsse so dick zugefroren sind, dass man sie mit Schneemobilen überqueren kann, dann ist es doch sicher schrecklich kalt? Wie kann man da auch nur daran denken den ganzen Tag draußen zu verbringen und dann auch noch im Zelt zu schlafen? Tatsächlich empfinden wir die Kälte hier in den unterschiedlichsten Situationen ganz unterschiedlich: wenn man in Bewegung ist, ist einem sehr schnell warm und wenn man auch noch die Pulka zieht, wird einem richtig heiß, wenn die Sonne scheint, fühlen sich auch -10 Grad frühlingshaft warm an, wenn man in die Daunenjacke oder den dicken Schlafsack gekuschelt ist, ist es wohlig warm, wenn man unterwegs warmen Tee trinkt, breitet sich die Wärme angenehm im ganzen Körper aus, wenn man allerdings stehen bleibt und der Wind pfeift, dann wird einem schnell kalt, wenn man nach einer Zeltnacht in die kalten Schuhe schlüpft, fühlen sich die Zehen wie Eisklumpen an, wenn sich in den Wasserflaschen Eiskristalle bilden und die Verschlüsse zufrieren, dann wird einem bewusst, dass es doch recht kalt ist. Aber irgendein Mittel gegen die Kälte haben wir immer parat – und das beste ist ein Saunagang am Ende des Tages!

Und wie geht‘s jetzt weiter?

Als erstes steht einmal eine kleine Pause an, während der wir unsere Ausrüstung kritisch durchgehen wollen um die Pulka leichter zu machen. Dann – entgegen unseren ursprünglichen Plänen – werden wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiterreisen und einen Teil unserer geplanten Strecke überspringen. Das liegt einerseits daran, dass wir nicht so schnell vorankommen, wie wir uns das gedacht hatten, und andererseits, dass wir uns auf die Gebiete konzentrieren wollen, auf die wir uns besonders gefreut haben: der hinter uns liegende Abschnitt Grövelsjön – Vålådalen und der vor uns liegende Kungsleden, der berühmteste Wanderweg von Schweden.

 


Übersicht Serie „Eis, Schnee und Kanelbullar“:
[ Die ersten zwei Wochen | Kungsleden 1 | Kungsleden 2 | Kungsleden 3 | Kungsleden 4 | Kungsleden 5 | Kungsleden 6 | Zusammenfassung | Proviant | Ausrüstung ]

6 Gedanken zu „Eis, Schnee und Kanelbullar – Die ersten zwei Wochen“

  1. Aber kalt ist es trotzdem!!!!! Nun Ja, auch im nördlichsten Schweden wird es irgendwann Frühling und ob es dort Osterhasen gibt weiß ich nicht. Jedenfalls Rudi the rednose…… hat keine langen Ohren. Spannend, was ihr da macht! Freue mich schon auf den nächsten Bericht.

    1. Ja, kalt ist es natürlich schon, aber es ist ein herrliche trockene Kälte, in der man sich so richtig lebendig fühlt!
      In Nordschweden nennt man die jetzige Jahreszeit „vårvinter“, Frühlingswinter, denn im Gegensatz zum Winter im Dezember, Jänner und Februar sind die Tage jetzt schon richtig lang und man bekommt viel wärmende Sonne ab. Wir sind gespannt, ob wir noch während dem Skifahren erleben werden, dass der Schnee zu schmelzen beginnt…
      Den Osterhasen haben wir freilich nich nicht getroffen, aber Hasenspuren haben wir schon oft im Schnee entdeckt. Aber ob er uns unterwegs auch finden wird?

  2. Wie immer bin ich beeindruckt von den Landschaften, die Ihr mit wunderbaren Bildern „beschreibt“! Danke für diese Schilderungen, man sitzt im warmen Kämmerlein und kann doch ein wenig „dabei sein“, man lagert gewissermaßen das Fernweh und die Sehnsucht nach Ewigkeit und Stille aus, Ihr macht die Arbeit und ich ergötze mich daran, wissend, dass ich nach einem halben Tag – ach was – nach 2 Stunden Fanny-Ziehen schon erledigt wäre….
    Gutes Weiterkommen
    Briii

    1. Danke, es freut uns immer wieder sehr, dass dir unsere Berichte gefallen! Wir selbst lesen von zuhause aus auch sehr gerne die Berichte von anderen Abenteurern und versuchen so unsere Sehnsucht ein bisschen zu stillen. Auf dein Angebot mit zwei Stunden Fanny-Ziehen kommen wir noch zurück 😉

  3. Hej Mimi und Martin
    Es ist sehr schön euren Bericht zu lesen. Ich bin inzwischen wieder daheim, aber beim Lesen eurer Zeilen fühle ich mich wieder in den schwedischen Winter versetzt.

    Lauft ihr nun von Hemavan aus weiter in Richtung Norden?

    Ich freue mich auf eure nächsten Schilderungen.
    Bleibt gesund.

    Martin

    1. Hej Martin!
      Schön, dich hier wiederzusehen!
      Wir sind gerade die erste 6-tägige Etappe vom Kungsleden gefahren, von Hemavan nach Ammarnäs. Traumhaft schön, teilweise recht stürmisch! Ein Blogpost dazu folgt demnächst.
      Jetzt folgt der Teil des Weges, auf dem es keine STF-Hütten gibt, sind schon gespannt!
      Schönen Gruß in den Süden! (Ist bei dir schon Frühling?) M&M

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